das buch: achtundachtzig

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schreiben, löschen, neuanfang, löschen, nochmal von vorn: seit computer und löschtaste ist das denken anders geworden: leichter, unbeschwerter, improvisierter, schneller. vielleicht auch seichter.

man mag bedauern, dass es seither noch mehr zu lesen gibt oder dass die allgemeine sorgfalt nachlässt. die vorteile überwiegen.

ich schrieb, ich würde meine texte wenig verändern. es stimmt nicht. wenn ich kaum vorankomme, dann auch wegen der löschtaste. man kann ja nur ahnen, wie sehr es mir diese löschtaste angetan hat, wie sehr ich es liebe, immer wieder tabula rasa zu machen. wieder und wieder zu beginnen. es ist eine sucht. mein ganzes buch ist in gefahr. ich hoffe nur, dass ich so vernünftig bin, es zu verschonen. das buch ist das, was bisher nicht gelöscht wurde. sonst wäre es schon fünfmal so lang. seltsamerweise schein es durch die löschungen nicht besser zu werden. von dichter ganz zu schweigen. nur eben kürzer. und das ist das wichtigste.

löschsucht hatte ich schon vor der löschtaste, schon bei handgeschriebenem.  es gibt tagebücher, da stehen auf manchen seiten nur noch ein paar zusammenhangslose wörter.  um mich nicht  vor mir selber zu schämen, habe ich die so verstümmelten tagebuch-seiten dann zum kunstwerk erklärt.

im mai 1993 schreibe ich im dunkelblauen buch:

ich überarbeite einen text über improvisieren und komponieren und er schrumpft und schrumpft. auch beim durchsehen meiner zeichnungen schrumpfen die stapel bedenklich. ich bin offensichtlich einer ästhetik des ausmistens verfallen, die sich noch in eine des verschwindens auswachsen könnte.

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