das drecksbuch mündet in müdigkeit


das drecksbuch mündet in müdigkeit

die idee zum buch über den dreck kommt nicht von ungefähr, aber doch erst jetzt. mich wundert es, da ich dreck, müll, staub, kehricht, matsch, kompost schon immer mehr verbunden bin als die meisten von uns. ich hätte es also auch schon mit zwanzig schreiben können.

allerdings wissen alle, die mich kennen auch sofort, dass ich es nie schreiben werde. meine faszination ist spätestens in ein paar stunden verpufft. noch schlimmer: die ganze idee kommt mir völlig absurd vor.  

für heute will ich glauben, dass die faszination länger anhält und nehme mir vor, nicht darüber zu berichten, was um den heißen brei herum geschieht oder nicht geschieht, nein, ich werde sofort mit dem buch über den dreck beginnen.

einmal begonnen, wird es kein halten mehr geben, dreck den helden der welt, den könig meines buches werden zu lassen. also los.
 
wie fast jeder mensch am leben klebt, klebt dreck an jedem leben. dreck ist überall, jeder hat mit dreck zu tun, ja, jeder isst sogar dreck. für manche ist der andere nur dreck und man sagt >mach deinen dreck alleine<.  und ja, auch ich mache meinen dreck alleine, wie die meisten schriftsteller.  

wir kämpfen so gut wie immer und nie erfolgreich gegen dreck an. wir waschen uns, wir waschen ab, wir machen gross reine, wir saugen. neuerdings blasen wir sogar laub durch den garten.

wir sagen dreck zu dingen, die gar kein dreck sind.  laub ist laub und eigentlich erst mal kein dreck.
 
dreck steckt vielfältig im sprachgebrauch und als popel in der nase.
 
so geht es also los, mein buch über dreck. und nun?

ich werde schon weiter in der rechten stimmung bleiben, um dreck zu lieben und zu hassen und um all seinen facetten gerecht zu werden. über erste zeilen des drecksbuches hinauszukommen und mich völlig in diese  materie zu verbeißen.

ja, ich scheine dafür geeignet, dieses buch zu schreiben, denn zeitlebens habe ich mir, wie oben schon erwähnt,  gedanken über dreck gemacht. ich schaute schon immer gerne zu boden, mit niedergeschlagenen augen analysierte ich die ästhetik verwahrloster trottoirs und fotografiere bis heute  mit vorliebe rinnsteine, gullis, abflussrohre, sogar hundekot.

auf die frage warum? müsste ich antworten, dass ich dreck, kehricht, auch die behältnisse, die den ganzen müll schlucken, ästhetisch sehr befriedigend finde. ich scheine nicht nur alle arten von dreck, sondern auch die mülleimer, in die er bugsiert und in denen er transportiert wird, schön zu finden. segen oder fluch, es ist einfach so.

ich fühle es: mein buch wird eine hymne auf dreck, schmutz, kehricht, unrat werden.  wie konnte ich meine aufzeichnungen darüber so lange in der schublade lassen? ein glück, dass sie nicht so leicht verstauben. dreck ist und war schon immer ein aktuelles thema und ist heute ein bedrohlich aktuelles.

wenn es romane über düfte gibt, warum nicht einen über dreck?

die skizzen zum drecksbuch von heute sind allerdings wieder gelöscht. mir kam nur unersprießliches zum dreck in den sinn, so eine art selbstkritk. gottseidank sind heutzuge die schmutzigsten, die deprimierendsten gedanken schnell wieder gelöscht, was ja zum zeitgeist passt. nur erquickliches herauszulassen.

ich fand in meinen heutigen skizzen nur gedanken zum dreck in mir. der ganze dreck in der welt draußen müsste doch genug stoff für mein buch liefern. ich muss aber gleichzeitig vermeiden, dass sich das weltumspannende problem von dreck aller art zu sehr ausweitet, sich in die gefühlsebene bohrt und sich unverschämter weise gegen mich selbst wendet.

vor ganz kurzem noch schwebte mir doch eine lobeshymne auf den dreck vor.  davon habe ich mich schnell entfernt. das wort >dreck< hat anscheinend negativen einfluss auf das denken.  

so wird, was wird. wir werden sehen. ich nenne dieses sehr lange buchprojekt mal so und mal so: >drecksbuch< scheint in manchen momenten nur eine mögliche variante. ich titelte auch schon biblisch angehaucht >am anfang war der dreck<. doch wie es auch benannt wird:  es ändert nichts an seinem inhalt. mein anliegen ist unwiderruflich und fatal. es entsteht ein leben lang und es wird nichts davon übrig bleiben.    

erfreulich ist die einsicht, dass meine täglichen bemühungen genau das sind: bemühungen.  und zwar über tausend lange seiten.
 
tatsächlich ein buch über den dreck zu schreiben, wird gefeiert, in dem ich mich in jeder freien minute, manchmal fast ohne unterlass, tiefer und tiefer in einen haltlosen, ausufernden text verbeiße.

oder ist dieses drecksbuch ein krankheitsbericht in eigener sache? ich fühle mich nicht krank. eher wie ein verdammter dreckskerl, der zudem noch  böse an der nase herumgeführt wird.  

versuche, dieser hölle zu entkommen, sind bisher gescheitert. ich will ihr wohl nicht entkommen. eher aushalten und auf die spitze treiben. es geht also längst nicht mehr um dreck. der autor selbst sitzt in der scheiße. doch gibt es teuflischen einflüsterungen, die den fortgang des buches garantieren.

ich taufe jetzt mal um: aus >drecksbuch< wird >unbuch<. das >unendliche unbuch<. >täglich unerträglicher, täglich unsinniger. zuletzt barer unsinn. inhaltsleere schreibflüsse  bis in alle ewigkeit<. so könnte es beworben werden. und so wird der geist angestachelt.

jetzt siegt erst mal die müdigkeit. bis demnächst!
 

Kommentare