es kommt nicht auf den ersten satz an (die blindschleiche, teil 1)


wenn man ein buch schreibt, käme es auf den ersten satz an, sagen alle, die glauben, etwas davon zu verstehen. das stimmt nicht, sage ich und beweise es hier. habt ihr denn etwa schon aufgehört zu lesen?
ein autor kann sich auch in sein buch hineinschleichen wie eine blindschleiche. und beim schreiben beobachtet er, wie allmählich eine gefährliche schlange daraus wird. oder wie die blinde schleiche zu einem sehenden scheich wird, was so viel bedeuten soll, dass durch ein paar kindische wortspielereien eine groteske handlung vom zaun gebrochen werden kann. 
 
jaja, schon recht, ihr wollt keine blindschleichen, die sich durch eine groteske handlung schlängeln, ich eigentlich auch nicht. aber wie will man bescheiden erklären, dass ein buch eben auch auf mysteriöse, ungeplante und alle regeln der kunst missachtende weise entstehen kann?
 
in der sommerhitze werfe ich die zu tausenden mit der schubkarre gesammelten steine als nachschub in die nähe der gartenmauer, also dahin, wo sie in den nächsten stunden und tagen von mir vermauert werden. ich weiß gar nicht, wie oft ich fast alle dieser steine groß und klein schon angefasst habe, um sie von hier nach dort zu werfen, und sei es nur, um sie vorzusortieren, oder um an die schottersteinchen zu gelangen, die natürlich immer zuunterst liegen und die man dringend für jede bruchsteinmauer benötigt.
 
die mauer wird immer höher, die steine, die ich zur verfügung habe, immer unförmiger. nicht, dass man im grunde nicht jeden kalkstein -denn es handelt sich um kalksteine- vermauern könnte; je unförmiger sie aber sind, desto mehr schläge mit dem maurerhammer braucht es, damit sie ihren platz in der mauer finden können. die ganz großen sind zu schwer und ich zertrümmere sie mit dem vorschlaghammer in stücke, die ich ohne große anstrengung weiterverarbeiten kann.
 
unter einem der kleinen felsen kriecht eine blindschleiche hervor. trotz großer trockenheit war es hier wohl noch feucht und kühl genug. sie verschwindet unter dem nächsten großen stein und sie wird weiter und weiter kriechen, weil ich ihr sukkzesive die steine wegnehme. und doch immer wieder einen ort finden, an dem es ihr gut geht, auch wenn der ganze steinhaufen in der gartenmauer verschwunden sein wird.

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